Seminararbeit
am Institut für Philosophie an der Universität Wien
April 1997
Frege kritisiert die damals offenbar verbreitete Erklärung einer Funktion als Rechenausdruck bzw. vor allem als Veränderliche. Er stellt fest, daß es so etwas wie eine „veränderliche Zahl“ oder „veränderliche Größe“ nicht gibt, da sich eine Zahl nicht verändern kann: Wenn beispielsweise ein Mensch älter wird, so erkennen wir doch stets den selben Menschen, dieser bleibt bestehen. „Ein Mensch wird älter; aber wenn wir ihn nicht trotzdem als denselben anerkennen könnten, hätten wir nichts, von dem wir das Altern aussagen könnten.“ (Frege, S. 83). Es stellt sich jedoch die Frage: „Was bleibt dasselbe, wenn eine Zahl sich verändert?“ (Frege, S. 83). Frege antwortet überzeugt: „Nichts!“ (Frege, S. 83). In der Tat fällt es schwer anzunehmen, daß irgend etwas bestehen bleibt, wenn sich die Zahl 2 zur Zahl 3 „verändert“. Die Sichtweise einer Funktion als eine Veränderliche muß also verworfen werden.
Wenig stichhaltig ist hingegen das anfängliche Argument Freges, daß jede Veränderung in der Zeit vor sich geht (vgl. Frege, S. 81), denn wenn sich mathematische Objekte verändern würden, so würde dies zweifellos unabhängig von der Zeit vor sich gehen; schließlich ist die ganze Mathematik sozusagen zeitlos.
Auch bei der Definition als Rechnungsausdruck ergeben sich Schwierigkeiten: „Was bezeichnet nun ‚x² + 3x‘?“ (Frege, S. 87). Da das „x“ eine Zahl nur unbestimmt andeutet, bedeutet der ganze Ausdruck eigentlich gar nichts. Wenn allerdings für x eine Zahl eingesetzt wird, so kommt wieder eine Zahl heraus, also nichts Neues. Frege fragt: „Wo bleibt nun aber die Funktion?“ (Frege, S. 87).
Die Funktion ist das, was übrigbleibt, wenn man sich die eingesetzten Zahlen – seien sie nun durch einen Buchstaben unbestimmt repräsentiert oder nicht – wegdenkt. Sie ist das, was wir als Gemeinsames erkennen bei Betrachtung der Ausdrücke
1² + 3·1
2² + 3·2
3² + 3·3
Man könnte dies auch darstellen durch „( )² + 3·( )“, wobei die Klammern jene Stellen anzeigen, in denen das Argument einzusetzen ist.
Dadurch erkennt man auch leicht den grundlegenden Unterschied zwischen einer Funktion und einer Zahl: Während eine Zahl für sich alleine etwas bedeutet, ist eine Funktion „ungesättigt, bedarf der Ergänzung durch ein Zahlzeichen, das wir dann Argumentzeichen nennen.“ (Frege, S. 88). Gemeinsam bedeuten die beiden schließlich wieder etwas Eigenständiges, nämlich eine Zahl.
Frege würde die Schreibweise mit Klammern überhaupt favorisieren, da damit deutlich gemacht wird, daß das Argument kein Teil der Funktion ist. Er übersieht dabei allerdings, daß diese Notation nur für Funktionen mit einem einzigen Argument brauchbar ist, da sonst die Verwirrung, welches Argument jetzt wo einzusetzen ist, wohl überhand nimmt. Gänzlich lächerlich erscheint mir der „Kompromißvorschlag“, statt den Klammern ein „xi“ einzusetzen mit dem Zusatz, „daß ‚xi‘ hier nur die Aufgabe hat, die Stellen kenntlich zu machen, wo das ergänzende Zeichen einzutreten hat.“ (Frege, S. 89). Aus mathematischer Sicht erfüllt ja das gewohnte „x“ genau diese Aufgabe (und keine andere), und wenn bei einigen Leuten Mißverständnisse über die Bedeutung dieses Buchstabens auftreten, so werden diese wohl kaum dadurch behoben, daß man ihn durch einen anderen Buchstaben ersetzt.
Die Ausführungen Freges scheinen heute etwas eigenartig, da ein großer Teil der Einwände, die er gegen die Definition einer Funktion geltend macht, mittlerweile aufgehoben wurden. Heutzutage wird eine Funktion meist ungefähr so definiert: „X und Y seinen zwei nichtleere, aber ansonsten völlig beliebige Mengen. Unter einer Funktion oder Abbildung f von X nach (oder in) Y versteht man eine Vorschrift, die jedem x e X in vollkommen eindeutiger Weise genau ein y e Y zuordnet. [. . .].“ (Heuser, S. 104). Die Funktion ist damit weder eine Veränderliche, noch ein Rechenausdruck, sondern eine Zuordnung und als Argumente sowie als Werte sind nicht nur Zahlen, sondern Objekte aller Art zulässig.
Zu Freges Zeiten dürfte die übliche Definition noch etwas anders ausgesehen haben, er selbst zitiert beispielsweise Czuber: „‚Wenn jedem Wert der reellen Variablen x, welche ihrem Bereiche angehört, eine bestimmte Zahl y zugeordnet ist, so ist y im allgemeinen auch als Variable definiert und wird eine Funktion der reellen Variablen x genannt. Man drückt diesen Sachverhalt durch eine Gleichung von der Form y = f(x) aus.‘“ (Frege, S. 85). Hier ist tatsächlich die Trennung zwischen Variable, Rechenausdruck, Zahl und Funktion einigermaßen unklar.
Für Frege sind Begriffe „eine spezielle Klasse von Funktionen“ (Patzig, S. 3).
Er erweitert zunächst den Bereich der Zeichen, die für die Bildung von Funktionen zulässig sind, um Zeichen wie z. B. „=“ und erhält daher Funktionen wie „x² = 1“. Was bezeichnet diese Funktion aber für ein gewisses Argument, beispielsweise 2? Was bedeutet also „2² = 1“? Hier führt Frege den (damals) neuen Begriff des Wahrheitswertes ein und erklärt: x² = 1 bedeutet an der Stelle 2 das Falsche, an der Stelle 1 jedoch das Wahre (vgl. Frege, S. 26).
Sprachlich gesehen entspricht „2² = 1“ einem Behauptungssatz, z. B. „Wien ist die Hauptstadt von Österreich“. Analog zur Funktion ist also die Bedeutung eines Behauptungssatzes ein Wahrheitswert. Der Begriff „Hauptstadt von Österreich“ liefert demnach bei Einsetzung eines Objektes als Argument einen Wahrheitswert: Der Begriff bedeutet z. B. für die Argumente „Tisch“, „Hunger“, „London“ das Falsche, für „Wien“ jedoch das Wahre.
Durch Einsetzung aller möglichen Argumente in den Begriff „Hauptstadt von Österreich“ erhält man einen Werteverlauf von Wahrheitswerten, der angibt, für welches Argument der Begriff das Wahre und für welche er das Falsche bedeutet. Dieser Werteverlauf entspricht dem Begriffsumfang, da dadurch eindeutig festgelegt ist, welche Gegenstände unter den Begriff fallen und welche nicht.
Wann sind zwei Funktionen bzw. Begriffe identisch? In der Mathematik gilt z. B. x²– 4 = (x + 2)(x – 2), ist deshalb die Funktion „x²– 4“ die selbe wie „(x + 2)(x – 2)“? Die Identität bzw. Gleichheit ist offensichtlich eine Beziehung; die Frage ist aber, ob sie eine Beziehung zwischen den Gegenständen oder zwischen den Namen der Gegenstände ist.
Diese Frage ist wesentlich, da es davon abhängt, ob der Satz „a = a“ vom Satz „a = b“ auch dann unterschieden werden kann, wenn a = b ist. So enthält z. B. der Satz „Der Morgenstern ist der Morgenstern“ keine großartige Erkenntnis, der Satz „Der Morgenstern ist der Abendstern“ hingegen schon. Sobald diese Tatsache jedoch klar ist, kann aufgrund der Gleichheit „Abendstern“ durch „Morgenstern“ ersetzt werden, wodurch aus dem Satz „Der Morgenstern ist der Abendstern“ der Satz „Der Morgenstern ist der Morgenstern“ wird und die Erkenntnis eigentlich verloren geht. Dies kann jedoch nur passieren, wenn die Gleichheit eine Beziehung zwischen den Gegenständen ist, da die Bezeichnungen „Morgenstern“ und „Abendstern“ ja offensichtlich nicht identisch sind.
Frege beantwortet die Frage mit der Unterscheidung zwischen Sinn und Bedeutung: So ist zwar die Bedeutung von „Morgenstern“ und „Abendstern“ die selbe, nämlich der Planet Venus, der Sinn ist jedoch ein anderer: Die eine Bezeichnung bezieht sich darauf, daß dieser Himmelskörper in der Morgendämmerung noch als letzter zu sehen ist, während die andere andeutet, daß er in der Abenddämmerung als erster sichtbar wird.
Für Frege ist die Gleichheit also eine Beziehung zwischen den Bezeichnungen.
Durch die Unterteilung in Sinn und Bedeutung können auch eigenartige Ausdrücke wie „das runde Quadrat“, „die kleinste Zahl“ erklärt werden: Sie haben zwar einen Sinn, aber keine Bedeutung.
Russell benützt den Ausdruck „Kennzeichnung“ (denoting phrase) und unterscheidet drei Arten von Kennzeichen:
Seine Theorie der Kennzeichnung unterscheidet sich von der Freges. Für Russell haben Kennzeichnungen alleine „nie eine Bedeutung, aber jede Aussage, in deren verbalem Ausdruck sie vorkommen, hat eine Bedeutung.“ (Russell, S. 5). Den Vorgang der Kennzeichnung definiert er als die Zuschreibung eines Prädikates zu einer Variablen, die „völlig unbestimmt ist.“ (Russell, S. 4). So lautet beispielsweise die Interpretation des Satzes ›Ich traf einen Menschen‹: ›„Ich traf x, und x ist menschlich“ ist nicht immer falsch.‹ (vgl. Russell, S. 5). Die Kennzeichnung ›ein Mensch‹ wird dabei aufgelöst durch ›x ist menschlich‹.
Interessanter wird die Sache bei bestimmten Kennzeichnungen, z. B. ›Die Erde ist rund.‹ Der bestimmte Artikel die impliziert, daß es nur eine einzige Erde gibt, zumindest wird er von Russell so aufgefaßt. Bei einem anderen Gebrauch des bestimmten Artikels, wie z. B. in ›Die Kuh ist ein Säugetier.‹ ist ja eigentlich ›Jede Kuh ist ein Säugetier.‹ gemeint.
Russells Interpretation von ›Die Erde ist rund.‹ lautet: ›Es existiert genau eine Erde und diese ist rund.‹ bzw. formaler: ›Es ist nicht immer falsch von x, daß x eine Erde ist und daß x rund ist und daß „Wenn y eine Erde ist, ist y identisch mit x.“ immer wahr von y ist.‹ (vgl. Russell, S. 7). Mit der heute üblichen mathematischen Symbolik würde man diesen Sachverhalt folgendermaßen darstellen:
›[Es gibt genau ein x: (x ist eine Erde)] und (x ist rund) ‹, oder ausführlicher:
›Es gibt ein x [(x ist eine Erde) und (x ist rund) und [für alle y ((y ist eine Erde) folgt y = x)]]‹
Genau diese Existenzaussage ist allerdings meiner Meinung nach die große Schwäche der Theorie von Russell, auch wenn er selbst sie für ihre entscheidende Stärke hält. Russell schreibt „Wenn ich sage ›Scott war ein Mensch‹, ist das eine Aussage der Form ›x war ein Mensch‹, die ›Scott‹ zum Subjekt hat. Sage ich dagegen ›der Autor von Waverley war ein Mensch‹, ist das keine Aussage der Form ›x war ein Mensch‹, und ›der Autor von Waverley‹ ist nicht ihr Subjekt.“ (Russell, S. 15). Russell interpretiert die Aussage ›der Autor von Waverley war ein Mensch‹ nämlich als ›Eine und nur eine Entität schrieb Waverley, und diese war ein Mensch‹ (vgl. Russell, S. 15).
Der Vorteil von Russells Theorie ist, daß dadurch auch bei kniffligen Sätzen entschieden werden kann, ob sie wahr oder falsch sind, wie z. B. ›Der König von Österreich hat eine Glatze‹. Aufgrund der Interpretation ›Es gibt genau einen König von Österreich und dieser hat eine Glatze‹ kann nämlich eindeutig festgestellt werden, daß der Satz falsch ist, weil es keinen König von Österreich gibt. Russell leitet aus dem Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten (es muß entweder ›A ist B‹ oder ›A ist nicht B‹ wahr sein) ab, daß eine Interpretation des Satzes ohne Existenzbehauptung in Schwierigkeiten gerät: Würde man nämlich alle Gegenstände mit Glatze sowie alle Gegenstände ohne Glatze betrachtet, würde man unter keinen den König von Österreich finden (vgl. Russell, S. 11).
Diesem Argument Russells liegt die stillschweigende Annahme zugrunde, daß jeder Satz entweder wahr oder falsch sein muß. Ich folge hier jedoch dem Wiener Kreis und teile diese Ansicht nicht. Für den Wiener Kreis können nur solche Sätze wahr oder falsch sein, die sinnvoll sind, und das wird durch das sogenannte Verifikationskriterium festgestellt: Ein Satz ist genau dann sinnvoll, wenn angegeben werden kann, unter welchen Bedingungen er verifiziert werden kann. Alle anderen Sätze sind sinnlos und damit weder wahr noch falsch.
Der Satz ›Der König von Österreich hat eine Glatze‹ ist demnach sinnlos, weil man nicht angeben kann, wie er sich verifizieren läßt, da stets die Frage ›Wer ist der König von Österreich?‹ offenbleibt.
Das Verifikationskriterium wurde vom Wiener Kreis ursprünglich als Abwehr gegen metaphysische Sätze, wie z. B. ›Gott ist allmächtig‹ geschaffen. Nach Russell würde dieser Satz bedeuten ›Es gibt genau einen Gott und dieser ist allmächtig‹, ob er wahr oder falsch ist wissen wir vorerst nicht und es stellt sich die Frage, ob wir es überhaupt jemals wissen können. Nach dem Wiener Kreis ist der Satz sinnlos, und die Frage nach der Wahrheit ist damit erledigt.
Schwierig wird es für Russell bei der Verneinung des obigen Satzes, also ›Der König von Österreich hat keine Glatze‹. Dieser Satz ist nämlich wahr, wenn gemeint ist ›Es ist falsch, daß es eine Entität gibt, die König von Österreich ist und eine Glatze hat‹, jedoch falsch, wenn gemeint ist ›Es gibt eine Entität, die König von Österreich ist und diese hat eine Glatze‹. Hier definiert Russell, daß ›der König von Österreich‹ im ersten Fall sekundär gebraucht wird, im zweiten Fall jedoch primär (vgl. Russell, S. 18), was allerdings einigermaßen unbefriedigend ist, weil die Wahrheit des Satzes von der Interpretation des Hörers abhängt.
Etwas anders sehe ich die Sachlage jedoch beim Satz ›Ein rundes Quadrat ist rund‹. Für Russell ist dieser Satz falsch, weil es kein rundes Quadrat gibt, für den Wiener Kreis sinnlos, weil man nicht angeben kann, wie man zu einem runden Quadrat kommt. Für mich ist dieser Satz jedoch wahr, weil es sich meines Erachtens um ein analytisches Urteil im Sinne Kants handelt: Die Rundheit ist im Begriff des runden Quadrates enthalten, es wird ihm also ein Prädikat zugeschrieben, das es per definitonem von Haus aus besitzt. Ob nun ein rundes Quadrat existiert oder nicht, ist dabei für mich uninteressant, da der Satz meiner Meinung nach nichts über die Existenz aussagt. Der Satz ›Ein Schimmel ist ein weißes Pferd‹ bleibt ja auch dann wahr, wenn es keinen Schimmel gibt.
Eine ähnliche Ansicht vertritt Frege: Auf die Frage, woher man wissen könne, ob gewisse Zeichen überhaupt eine Bedeutung haben, antwortet er: „es genügt zunächst, auf unsere Absicht beim Sprechen oder Denken hinzuweisen, um es zu rechtfertigen, von der Bedeutung eines Zeichens zu sprechen, wenn auch mit dem Vorbehalte: falls eine solche vorhanden ist.“ (Frege, S. 46). In einem etwas anderen Zusammenhang meint er weiters: „Wenn man also behauptet ‚Kepler starb im Elend‘, so ist dabei vorausgesetzt, daß der Name ‚Kepler‘ etwas bezeichne; aber darum ist doch im Sinne des Satzes ‚Kepler starb im Elend‘ der Gedanke, daß der Name ‚Kepler‘ etwas bezeichne, nicht enthalten.“ (Frege, S. 54).
Russell gibt drei knifflige Beispiele an, die seiner Meinung nach bei anderen Theorien Schwierigkeiten bereiten, die jedoch durch seine Theorie der Kennzeichnung gelöst werden (vgl. Russell, S. 11):
Ich möchte im folgenden auf die Punkte (1) und (3) eingehen (Punkt (2) habe ich schon weiter oben behandelt) und zeigen, daß die beiden Probleme auch durch andere Theorien leicht gelöst werden können.
ad (1): Diese Schwierigkeit wird durch die Fregesche Unterscheidung zwischen der gewöhnlichen Bedeutung und der ungeraden Bedeutung behoben (vgl. Frege, S. 43). Im Satz ›George IV. wollte wissen, ob Scott der Autor von Waverley ist‹ wird die Kennzeichnung ›der Autor von Waverley‹ in ungerader Rede verwendet. Dadurch ist ihre Bedeutung laut Frege nicht wie normalerweise Scott, sondern das, was üblicherweise ihr Sinn wäre. Wenn nun die Bedeutung des ganzen Satzes gleich bleiben soll, darf für jeden Bestandteil nur einer mit derselben Bedeutung eingesetzt werden, in diesem Fall also für ›der Autor von Waverley‹ beispielsweise ›jener Mensch, der das Buch Waverley schrieb‹. Aus dem ganzen Satz wird dann: ›George IV. wollte wissen, ob Scott jener Mensch ist, der das Buch Waverley schrieb‹, was ja wiederum wahr ist.
ad (3): Wenn A = B ist, dann lautet die Russellsche Interpretation des Satzes ›Der Unterschied zwischen A und B existiert nicht‹ bei primärem Gebrauch von ›der Unterschied zwischen A und B‹: ›Es existiert genau ein Unterschied zwischen A und B und dieser existiert nicht‹ und bei sekundärem Gebrauch: ›Es ist falsch, daß der Unterschied zwischen A und B existiert‹. Der ursprüngliche Satz ist also bei sekundärem Gebrauch von ›der Unterschied zwischen A und B‹ wahr, bei primärem jedoch falsch. Für mich ist der Satz jedoch immer wahr (wenn A = B ist), denn es wird ausgesagt, daß eine Entität, die tatsächlich nicht existiert, nicht existiert. Daß diese Entität dabei als Subjekt der Aussage fungiert, ist bestenfalls eine Eigenart der Sprache, daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß dadurch eine tatsächliche Existenz impliziert wird.
Insgesamt sehe ich also in allen drei angeführten Beispielen kein stichhaltiges Argument, warum die Theorie von Russell der von Frege vorzuziehen wäre. Gemeinsam mit dem Verifikationskriterium des Wiener Kreises halte ich die Theorie von Frege besser geeignet, alle drei Probleme in zufriedenstellendem Maße zu lösen.
Russell hat Recht, wenn er bezüglich des Kennzeichnens meint, „daß eine solche Theorie, welche auch immer die wahre ist, nicht so einfach sein kann, wie man vorher erwartet haben könnte.“ (Russell, S. 22). Darum ersucht er den Leser, den von ihm vorgetragenen Ansatz nicht wegen seiner scheinbaren Kompliziertheit zu verwerfen.
Ich für meinen Teil lehne die Theorie Russells dennoch ab, jedoch nicht, weil sie mir zu kompliziert erscheint, sondern weil ich mit ihrem Herzstück, daß bei Verwendung einer bestimmten Kennzeichnung die Existenz der bezeichneten Entität impliziert wird, nicht konform gehe. Der Ansatz von Frege, Begriffe als Funktionen im mathematischen Sinn aufzufassen, und darüber hinaus zwischen dem Sinn und der Bedeutung einer Aussage bzw. eines Gegenstandes zu unterscheiden, erscheint mir wesentlich zweckmäßiger.